Digitale Beteiligung

Booster für regionale Klimapläne

Ein Beitrag von Milena Dietrich und Sébastien Gölz

Immer mehr Kommunen entwickeln Klimaschutzpläne. Immer mehr gehen dabei partizipativ vor. Digitale Partizipationsformate eignen sich hervorragend, diese Prozesse zu unterstützen. Jedoch gibt es keine One-Fits-All-Lösung.

Hamburg Klimaplan

Kommunen als zentrale Akteure im Klimaschutz

Klimaschutz ist aus der Agenda von Städten und Kommunen nicht mehr wegzudenken. Hochwasser, Überschwemmungen, Hitze, Dürre, Starkregen und Stürme erfordern dringend regionale Lösungen und Schutzmaßnahmen. Keine leichte Aufgabe, denn die Finanzierung solcher Planungen ist schwierig. Zugleich wachsen Handlungsdruck und Pflichten. Auch wenn die strukturellen Hindernisse groß sind, müssen Kommunen und Städte ins Handeln kommen.

„Der Kampf um das Klima wird in den Städten gewonnen oder verloren,“ so Patricia Espinosa, Generalsekretärin der Klimakonvention der Vereinten Nationen. Städte und Gemeinden sind Schlüsselakteure der nachhaltigen Entwicklung. In der 2015 verabschiedeten „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen ist die zentrale Rolle der Städte und Gemeinden bereits festgehalten: „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten“ lautet das Sustainable Developenment Goal Nr. 11. Inzwischen belegen auch viele Studien, dass Städte und Kommunen einen immensen Einfluss auf erfolgreiche Klimapolitik haben. Die Vorteile regionalen Handelns:

  • Sie sind politisch zuständig für viele relevante Bereiche.
  • Es gibt eine große Nähe zu Bürger*innen und lokalen Akteuren.
  • Innovation und Wettbewerb zwischen Kommunen und Städten führt zu neuen Erkenntnissen und Erfahrungslernen voneinander.
  • Dezentrale Entscheidungsfindung ist schneller und agiler und darum besser geeignet als zentralstaatliche Lösungen.
     

Etliche Städte und Kommunen haben ihre klimapolitische Wirkungsmacht längst erkannt und gestalten mit viel Mut und Engagement dieses Politikfeld. Internationale Netzwerke sorgen für Inspiration und Austausch von Erfahrungswissen. Auch auf nationaler Ebene gibt es Netzwerke, die Austausch und Beratung bieten. So hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung mit den RENN – „Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategie“ – und dem Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit  Unterstützung für Akteure auf allen Ebenen im Programm.

Strategie und Planung
Um ihre Klimapolitik auf den Weg zu bringen, entwickeln Städte und Gemeinden zumeist eine Klimastrategie, auf die dann eine konkrete Klimaschutz- und Klimaanpassungsplanung aufbaut. Das heißt, es werden klare Ziele gesetzt (z.B. Klimaneutralität bis zu einem Zeitpunkt X, Umstieg von X% der Autofahrenden auf ÖPNV) und umfassende und messbare Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele beschrieben. Diese werden anhand verschiedener Sektoren gegliedert: Industrie, Mobilität, Gewerbe und Dienstleistungen, Bauen, private Haushalte und so weiter.

Gute Gründe für Beteiligung
Der Erfolg regionaler Klimaplanung hängt maßgeblich davon ab, möglichst wirksam verschiedene Teilöffentlichkeiten und Stakeholder in die Zielsetzung einzubeziehen. Mit effizienten und wirksamen Dialog- und Beteiligungsformaten lassen sich sowohl die relevanten Akteure als auch die breite Öffentlichkeit an der Klimaplanung beteiligen.

Dafür gibt es gute Gründe:

Gute Gründe für digitale Beiteligung

Ziel und Kontext bestimmen das Wann und Wie
Je nach Kontext und Zielstellung kann eine Beteiligung zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten einer Klimaplanung eingesetzt werden. So können schon im Vorfeld einer Planung über Beteiligungsformate relevante Stakeholder eingebunden werden. Dies dient nicht nur der Aktivierung und Einbindung in den Prozess, sondern kann auch für eine Bestandsaufnahme von regionalen Aktivitäten genutzt werden. Eine Beteiligung während der Arbeit am Klimaplan oder dessen Fortschreibung kann maßgeblich dazu beitragen, bereits vorliegenden Maßnahmenvorschläge qualitativ zu verfeinern und damit die spätere Umsetzung zu erleichtern. Und auch nach der Arbeit an einer Klimaplanung kann mit verschiedenen Beteiligungsformaten die Umsetzung vorangebracht und verstetigt werden.

Je nach Phase haben sich unterschiedliche Formate der digitale Beteiligung bewährt:

Formate und Phasen

Der Fokus in dieser Übersicht liegt bei den digitalen Formaten. Häufig empfehlen wir zusätzliche Präsenzformate, die so mit den digitalen Formaten verschränkt werden, dass sie sich gegenseitig verstärken. Wir sprechen dann von einem crossmedialen Vorgehen. Dies war auch bei dem folgenden Beispiel der Fall:

Illustration vom Hamburger Klimaplan Startseite

„Gemeinsam-Klimaplan“ in Hamburg
Bereits 2015 hatte die Freie und Hansestadt Hamburg einen Klimaplan aufgesetzt, einer der ersten gesamtstädtischen Klimapläne bundesweit. Er enthielt verbindliche Klimaziele und definierte Maßnahmen, mit denen diese erreicht werden sollen. Nachdem seit Juni 2021 sowohl auf Bundes- als auch Landesebene Klimaziele neu verabschiedet und verschärft wurden, musste der Klimaplan angepasst und konkretisiert werden. Anfang 2023 starteten die Arbeiten zu dieser zweiten Fortschreibung. Daran war erstmals auch die breite Öffentlichkeit beteiligt. Die Hamburger*innen waren eingeladen, sich an einem dreiwöchigen Online-Dialog auf der Plattform Gemeinsam-Klimaplan einzubringen. Der Online-Dialog ermöglichte eine strukturierte Sammlung von Ideen und konkrete Maßnahmen für mehr Klimaschutz. Für den guten Anschluss an die weitere Klimaplanung war diese Beteiligung stark strukturiert und gliederte sich in die Bereiche: 1. Private Haushalte, 2. Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, 3. Verkehr, 4. Industrie sowie 5. Sektorübergreifend.
Damit möglichst viele Hamburger*innen von dieser Beteiligung erfahren, hatte der Umweltsenator über eine Videobotschaft auf der Plattform zum Mitmachen eingeladen. Außerdem machte die Umweltbehörde über Social Media Post auf die Beteiligung aufmerksam.

Umweltsenator lädt zu Öffentlichkeitsbeteiligung ein

Dem Online-Dialog vorgeschaltet war eine Vorortdiskussion mit städtischen Stakeholdern, darunter Vertreter*innen aus verschiedenen Hamburger Wirtschaftszweigen, der Wissenschaft sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie konnten die bestehenden Maßnahmenvorschläge sowohl in Diskussionen an Themenwänden kommentieren als auch mit Expert*innen der zuständigen Behörden (Ministerien) der Hamburger Verwaltung erörtern und eigene Vorschläge einbringen. Auf diese Weise gab es nicht nur wertvollen Input für die Erstellung des neuen Klimaplans, sondern auch viel Aufmerksamkeit für den sich dann anschließenden dreiwöchigen Online-Dialog.

Hamburg Klimaplan

 

Im Laufe der lebhaften Online-Beteiligung vom 16. Januar bis zum 6. Februar 2023 gingen mehr als 4.000 Beiträge und Kommentare ein von mehr als 1.600 Menschen. Die große Bandbreite an Ideen und Vorschlägen teilten sich unterschiedlich auf die fünf verschiedenen Themenbereiche auf. Besonders viele Anknüpfungspunkte gab es im Themenfeld der Mobilität: Knapp die Hälfte der veröffentlichten Beiträge und Kommentare gingen im Sektor Verkehr, u.a. zur Stärkung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln im Rahmen des Umweltverbunds, ein. Anschließend wurden – nach einer ausführlichen Auswertung, Verschlagwortung und Zusammenfassung der Kern-Aussagen des Online-Dialogs und der Stakeholder-Veranstaltung – die Maßnahmenvorschläge durch die zuständigen Behörden auf ihre mögliche Umsetzung bewertet und, nach erfolgreicher Prüfung, in die zweite Fortschreibung des Hamburger Klimaplans eingearbeitet. Der neue Hamburger Klimaplan wurde im August 2023 vom Hamburger Senat verabschiedet, die Ergebnisse der Beteiligung sind in Sektion E explizit ausgewiesen.

Unser Klima Eimsbüttel – ein Bezirk aktiviert für Klimaschutz
Der Hamburger Stadtbezirk Eimsbüttel hat 2021 zur Erarbeitung eines integrierten Klimaschutzkonzepts eine umfassende Bürgerbeteiligung gestartet. Dieses sollte alle bisherigen, aktuellen und künftigen Klimaaktivitäten des Bezirks zusammenführen und einen Klimafahrplan für Eimsbüttel aufstellen. Mit einem fein abgestimmten Formate-Mix wurden Bürger*innen, Initiativen und Verbänden an der Erstellung des integrierten Klimaplans beteiligt. Da die Möglichkeiten für analoge Formaten pandemiebedingt sehr eingeschränkt waren, fanden Klima-Forum, Klima-Barcamp und Klima-Werkstatt digital statt. Zur Mobilisierung wurde der Instagram-Kanal @UnserKlimaEimsbüttel aufgebaut. Die Ergebnisse der Beteiligung sind in den bezirklichen Klimaplan eingeflossen, der Ende 2021 von der Bezirksversammlung Eimsbüttel beschlossen wurde. Das bezirkliche Nachhaltigkeitsmanagement arbeitet auch nach der Verabschiedung des Integrierten Klimaplans weiterhin partizipativ. Der Social Media Kanal wird genutzt um für konkrete Maßnahmen vor Ort zu mobilisieren. Es finden fortlaufend neue Beteiligungsangebote zu Umsetzungsmaßnahmen der Klimaplanung statt.

Instagramm Aktivierung

 

Diese Beispiele zeigen, wie Beteiligung regionale Klimapolitik aussehen kann. Für den Erfolg vor Ort ist aber nicht nur die Auswahl der passenden Formate entscheidend, weitere wichtige Faktoren sind eine gute Prozessgestaltung und die solide Planung der Umsetzung.

 

Klare Stärken
Wir sind davon überzeugt: digitale Formate haben ganz klare Stärken, wenn es um effiziente und nachhaltige Beteiligung im Kontext von Klimaschutzplänen geht. Warum?

  • Niederschwelligkeit: ein asynchrones Beteiligungsangebot senkt die Zugangshürden, der Zeitaufwand für die Bürger*innen ist geringer als bei Vor-Ort-Beteiligungen und die Veranstaltungen lassen sich effektiver bewerben.
  • Unabhängigkeit von Zeit und Ort: Digitale Angebote erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme für viele Zielgruppen.
  • Schnelligkeit: Digitale Dialoge können schnell und ressourcenschonend aufgesetzt werden. Ergebnisse stehen direkt nach Abschluss der Beteiligung für die Auswertung zur Verfügung.
  • Inklusion: Beteiligung ist in weiteren Sprachen möglich. Angebote für Personen, die nie/selten an Vorort-Veranstaltungen teilnehmen (z.B. junge Leute, Alleinerziehende, Schichtarbeiter*innen), quantitativ bedeutet digitale Beteiligung deutlich mehr Teilnehmende.
  • Transparenz: Ergebnisse stehen auch nach Ablauf der Beteiligung zur Verfügung.

 

Empfehlung zum Prozessdesign

Für eine wirksame Beteiligung rund um eine Klimaplanung gibt es kein „One-Size-Fits-All“. Welche Formate sich eignen, hängt entscheidend ab von Zielen und Zielgruppen der Partizipation sowie von den vorhandenen Ressourcen. Zur Konzeption eines sinnvollen Beteiligungsprozess haben sich in unserer Praxis die folgenden Leitfragen bewährt:

  1. Rahmen: Welche Rahmenbedingungen haben wir vor Ort?
  2. Zeitplan: Wann werden Inputs von Bürger*innen benötigt?
  3. Themen: Was sind die wichtigsten Inhalte?
  4. Beteiligungsspielraum: Wie wird Beteiligung wirksam und anschlussfähig? 
  5. Prozess: Welchen Formate-Mix braucht es für eine gelungene Beteiligung?

 

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung unseres Vortrags "Digitale Beteiligung - Booster für regionalen Klimaschutz", den wir am 29.11. beim D3Kongress #Deutschland #Digital #Demokratisch gehalten haben.

Ein großes Dankeschön an alle Teilnehmenden für den regen Austausch und die spannenden Rückfragen. Wir wünschen viel Erfolg bei Ihren und euren Beteiligungen oder Klimaplan-Projekten und freuen uns weiterhin über regen Austausch, Ergänzungen und auch einen Bericht Ihrer/eurer Erfahrungswerte. Melden Sie sich gerne bei uns, wenn wir Ihnen mit digitaler Beteiligung rund um Ihren Klimaplan weiterhelfen können. Selbstverständlich beraten wir auch gerne zu ergänzenden analogen Formaten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir haben Ihr Interesse geweckt?