Dynamic Facilitation

Innovative Moderationsmethode (nicht nur) für Bürgerräte

Zebralog-Expertin Kristina Henry verrät uns, was Dynamic Facilitation bedeutet und warum sie so begeistert von dieser Methode ist

Wir sehen vier Flip-Charts

Bürgerräte oder auch Gesellschaftsräte sind aktuell die prominentesten Beteiligungsformate. Ihre Wirksamkeit hängt von vielerlei Faktoren ab, unter anderem von der gewählten Moderationsmethode. Dynamic Facilitation (DF) ist eine dieser Methoden und gerade für Großgruppen sehr gut geeignet. Zebralog-Kollegin Kristina Henry ist eine erfahrene DF-lerin und bildet auch neue Moderator*innen in DF aus. Wir haben bei ihr mal angeklopft, um mehr über diese Moderationsmethode zu erfahren.

Liebe Kristina, du arbeitest schon lange mit der Methode Dynamic Facilitation. Kannst du uns in aller Kürze erklären, was wir uns darunter vorstellen können?

Klar, gerne. Dynamic Facilitation ist eine Moderationsmethode für Gruppen, die gerade dann ihre Stärke zeigt, wenn es um verzwickte Situationen geht. Damit meine ich konflikthafte, vielleicht auch unübersichtliche Themen, über die oft schon viel und gerne auch emotional diskutiert wurde, ohne dass wirklich gute Lösungen und Ergebnisse dabei herauskamen.

Das heißt, Dynamic Facilitation ist auch eine geeignete Methode für Bürgerräte…

Ja, insbesondere bei Bürgerräten erleben wir, wie durch diese Moderationsmethode den Teilnehmenden plötzlich klar wird, um was es ihnen wirklich geht. Nachdem jede*r Einzelne ausführlich über seine*ihre Sichtweisen, Bedenken, Ideen und Vorstellungen sprechen durfte, entsteht das größere gemeinsame Bild und ein einmütiger Konsens darüber, welche nächsten Schritte nötig sind. Bürgerräte, die mit Dynamic Facilitation moderiert werden, erleben regelmäßig Durchbrüche, die zu neuen Erkenntnissen oder Einsichten führen. Das habe ich in klassischen Moderationsmethoden so noch nicht erlebt. Durch die spezielle Form des Dialogs schafft es die Gruppe trotz und mit allen Meinungsverschiedenheiten in ein bis zwei Tagen einmütig festzustellen, wo es gemeinsam hingehen soll. Die Teilnehmenden sind inspiriert und lebendig, wollen beitragen und gestalten. Dieser Spirit kann Berge versetzen. Im Übrigen werden mit DF moderierte Bürgerräte, "Bürgerräte nach dem Vorarlberger Modell" genannt. Das liegt daran, dass hier die Pionierarbeit im deutschsprachigen Raum für diese Art von Bürgerräten stattgefunden hat. Mittlerweile haben dort knapp 50 Bürgerräte auf kommunaler, regionaler und landesweiter Ebene stattgefunden.

Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es noch für DF, wie du es liebevoll abkürzt? Hast du ein paar Beispiele für uns?

Neben der Bürgerbeteiligung wird Dynamic Facilitation in allen Prozessen eingesetzt, wo das Wissen der Vielen, das gemeinsame Denken, das tiefe Eintauchen mit dem Ergebnis eines kollektiven Konsens gewünscht ist. Das können Stakeholderdialoge, Workshops in der Organisations- und Teamentwicklung sein, oder im Coaching und in Mediationsverfahren.  

Wer hat diese Methode entwickelt?

Dynamic Facilitation wurde Anfang der 1980er Jahre durch den US-Amerikaner Jim Rough entwickelt. Jim war zu dieser Zeit als Personalentwickler und Qualitätsberater im Nordwesten der USA beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit experimentierte er mit Kreativitätstechniken, da er immer wieder komplexen Frage- und Problemstellungen sowie scheinbar unlösbaren Konflikten gegenüberstand. Fast 20 Jahre später, Ende der 1990er Jahre und nach vielen DF-Seminaren stellte Jim fest, dass die meisten Teilnehmenden wirklich “große Themen” zur Bearbeitung herangezogen haben und mit DF lösen konnten. Um eine Verbindung und Weiterentwicklung der entstandenen Lösungen zu weiteren, im System befindlichen Menschen zu ermöglichen, konzipierte er den eineinhalb-tägigen Wisdom Council Process oder Rat der Weisen, der heute weltweit auch als Bürgerrat eingesetzt wird, um die Weisheit der Vielen zur Wirkung zu bringen und Menschen bei der Schaffung eines neuen Miteinanders zu unterstützen.

Was gefällt dir so besonders gut daran?

Ich habe mit Dynamic Facilitation eine Methode kennengelernt, die wirklich transformativ wirkt. Jede*r kennt diese vielen scheinbar unlösbaren Themen, die immer wieder auftauchen und für die wir uns wirklich Lösungen wünschen. Aber wir drehen uns im Kreis, sind quasi gefangen in der Box. Ob das große Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, Bildung oder Mobilität sind, Unzufriedenheit bei Ernährung, Sport oder dem Umgang mit sozialen Medien - mit regelmäßigen Dialogen nach Art des Wisdom Council Processes könnten wir uns aus der Box bewegen und so die unerwünschten Effekte unserer Systeme wirklich verändern. Außerdem sind die meisten Menschen, die sonst nur schnellen zackigen Schlagabtausch kennen, dankbar, wenn sie in einem mit DF moderierten, wirklich langsamen, konzentrierten Dialog darin unterstützt werden, ihre Gedanken ungestört zu sortieren und zu formulieren, was sie tief im Inneren wirklich fühlen und denken. Dazu gehört dann auch, dass die anderen Teilnehmenden wirklich zuhören und mitdenken. Eine leider sehr seltene, wenn auch so einfach Kunst.

Wie lässt sich Dynamic Facilitation am besten lernen?

Die 3-tägige Grundausbildung wird von zertifizierten DF Ausbilder*innen angeboten. Auf der Seite des Dynamic Facilitation e.V. sind die Seminare und Vertiefungsworkshops gelistet. www.dynamicfacilitation.org

Hab vielen Dank für diesen spannenden Einblick!

 

Für alle, die weiterlesen wollen:

 

 

 

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